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Philosophie / Lebensweise / Spiritualität

Dem Ashram Jesu liegt eine bestimme Sicht auf das Leben und den Kern des Christlichen zugrunde (Philosophie). Diese findet ihre Konkretion in einer bestimmten Praxis (Lebensweise). Aus dieser Praxis heraus erwächst eine Resonanz auf das, was sich im Er-Leben zeigt (Spiritualität).

Philosophie

Der Ashram Jesu bietet eine Lebensweise, die dem Menschen die Erfahrung von Tiefe, Würde und Sinn vermittelt, die ihn befähigt, im Anderen den Mitmenschen zu erkennen, und die ihm hilft, die Gier zu überwinden.

Situation

Wie könnte das Religion sein, was nichts mit dem täglichen Leben zu tun hat.

— Mahatma Gandhi

Das tägliche Leben vieler Menschen – und damit ihre gelebte Religion – ist geprägt von immer neuen und hektischeren Versuchen, dem eigenen Leben Befriedigung und Fülle zu geben. Das Ergebnis ist aber oft mehr Leere, mehr Angst und Unsicherheit, mehr Banalität.

Dynamik

Diese Situation entfesselt eine Dynamik des „Mehr“, die die anderen zu Konkurrenten und Kontrahenten macht und die Ressourcen der Erde überfordert. Zerstörung ist die Folge: Zerstörung der humanen und Zerstörung der ökologischen und klimatischen Grundlagen des Lebens auf dem Planeten Erde.

Fazit

Das Lebensmodell, das die Wohlstandsgesellschaften anbieten, ist zum Scheitern verurteilt. Es ist zerstörerisch. Es ist ein Leben – vor dem Tod natürlich,– das den Tod aus dem Bewusstsein verdrängt und damit eigentlich auch kein Leben sein kann. Es wird Zeit, dieses Lebensmodell zu überwinden. Es wird Zeit, wirklich zu leben. Und dazu ist jeder einzelne eingeladen.

Der Ashram Jesu ist der Versuch eines erfüllten Lebens vor dem Tod.

Vision

Die Vision des Ashram Jesu ist, dass die Ereignisse des Lebens dem Menschen dazu dienen, sich selbst verwandeln und dadurch befähigen zu lassen, den Geist der Liebe, des Maßes, des Dialogs, der Vergebung und der Achtung vor jeder Person in die Welt zu tragen und sich gegenseitig bei dieser Verwandlung zu unterstützen.

So verstehen wir den Weg Jesu, auf dem sich das Geheimnis der Wirklichkeit, Gott, mitteilt.

Umkehr

Wir erleben die guten und schlechten Stunden nicht durch bis zu dem Brunnenpunkt, an dem sie aus Gott hervorgehen.
Das gilt für das Gute und für das Elend.

— Alfred Delp

Wer diese Vision verwirklichen will, der muss sein Leben verändern. Die Umkehr besteht darin, das Leben nun von außen nach innen und aus dem wahren Selbst-Sein nach außen zu leben.

Das bedeutet:
Ereignisse aus dem Außen ins Innere zulassen,
die ausgelösten inneren Bewegungen im Bewusstsein dasein lassen,
alle eigenen Vorstellungen und Erwartungen loslassen, die der Wahrheit des Hier und Jetzt entgegenstehen.

Dann stellt sich ein die Erfahrung

  • der Freiheit wahrhaftigen Selbst-Seins.
  • der Würde, unmittelbar im Geheimnis aller Wirklichkeit, Gott, zu gründen.
  • eines endgültigen Sinns im Vollzug desjenigen Schrittes, der nun aufgegeben ist, getan zu werden.

Ziel

Das zentrale Anliegen des Ashram Jesu ist, in Theorie und Praxis eine Lebensweise zu vermitteln,

  • die achtsam, gelassen und liebevoll bei den inneren Bewegungen verweilt, gleich, ob diese angenehm oder unangenehm sind;
  • die aufhört, Spannungen durch Ablenkung, Konsum oder hektische Aktivität aufzulösen, sondern viel mehr versucht, sie auszuhalten;
  • die darin den Weg Jesu erkennt
  • und diesen in den mystischen Traditionen der Weltreligionen wiederfindet.
Lebensweise

Die Lebensweise im Ashram Jesu ist geprägt von folgenden Maximen:

  • weglassen
  • Zeit verlieren
  • offen sein
  • auf sich selbst achten
  • verantwortlich leben

Äußerer Rahmen

Wir leben entschleunigt, weitgehend in Schweigen. Es gibt kein Fernsehen, keine Tageszeitungen, kein Internet, keinen Alkohol. Unser Essen ist vegetarisch.

Für Männer und Frauen gibt es jeweils Gemeinschaftsbäder. Dem Ashram eignet eine Ästhetik der Einfachheit und eine Solidarität mit der Lebensweise der Mehrzahl der Menschen auf diesem Planeten. Der Tag beginnt i. d. R. um 6:00 Uhr mit gemeinsamer Meditation und endet ebenso um 21:00 Uhr.

Achtsamkeit

Das Üben von Achtsamkeit geschieht bei allem und jederzeit: beim Gehen, Essen, Arbeiten und allen Verrichtungen des täglichen Lebens. Die Aufmerksamkeit ruht bei den eigenen Empfindungen hier und jetzt, um aus dem Rad gedanklicher Kommentare, Beschwerden, Planungen, Phantasien und Wünschen heraus und in die Freiheit und Freude des Sich-Selbst-Besitzens hinein zu kommen.

Achtsamkeit ist zugleich auch ein Mittel, um bei inneren Spannungen bei sich selbst aushalten zu können.

Meditation

In der Regel meditieren wir täglich viermal 45 Minuten im Sitzen, etwa 1 Stunde im Gehen und ebenso lange im Tun. In der Sitzmeditation geht es darum, sich selbst zu besuchen wie einen echten Freund, d.h. achtsam, gelassen und liebevoll hinzuhören auf die Bewegungen des eigenen Herzens und beim jeweils Vernommenen zu verweilen. Buddhistisch ist das Vipassana-Meditation nach Achaan Chah, christlich Gebet, das zum Hören geworden ist.

Gottesdienste

Unsere Gottesdienste fokussieren das Ashramleben auf seine Mitte. An den Werktagen betrachten die Kursteilnehmenden gemeinsam einen Text aus einer der Weltreligionen und eine korrespondierende Stelle aus dem Neuen Testament und tauschen sich darüber aus.

Leibarbeit

Die Leibarbeit besteht aus einfachen Yogaübungen, die meist im Liegen ausgeführt werden. Ziel ist es, den Kontakt zum eigenen Leib zu verbessern, indem die Aufmerksamkeit die Veränderungen im Körper begleitet, die im Einnehmen der Asanas (Yoga-Körperstellungen) geschieht.

Karma Yoga

Seit alters her bewähren sich einfache Handarbeiten als Fortführung und Belebung der Meditation. Deswegen übernehmen die Gäste im Ashram Kochen, Spülen und Putzen. Die Verantwortung für die Gruppe erdet und fördert den spirituellen Prozess.

Wer achtsam, gelassen und liebevoll arbeitet und sich dabei nicht von Unlust oder dem Wunsch nach Perfektion oder Anerkennung bewegen lässt, sondern die zu tuenden Arbeiten in Einheit mit sich selbst und dem Unbedingten vollzieht, der übt Karma Yoga.

Gemeinschaft

Meditationen, Yoga, Schriftbetrachtungen, Mahlzeiten und die Gespräche über das Meditieren sind gemeinsam. Die Ashramgäste erleben einander viele Stunden am Tag, ein Erleben, das durch Schweigen intensiviert wird.

Begleitung

Jeder gute Christ muss mehr dazu bereit sein, die Aussage des Nächsten für glaubwürdig zu halten, als sie zu verurteilen. Begreift er sie nicht, so forsche er nach, wie jener sie versteht.

— Ignatius von Loyola

Ein Aufenthalt in Stille und Abgeschiedenheit kann belastende Themen ins Bewusstsein bringen, alte und aktuelle. Um sie für sich fruchtbar zu machen, ist Begleitung angezeigt. Ihr Thema ist, was die Person hier und jetzt bewegt.

Der Ashram Jesu bietet Kurse mit Einzelbegleitung und Begleitung in der Kursgruppe an. Einzelbegleitung findet alle zwei Tage in einem Gespräch mit der Kursleitung statt. Die Begleitung in der Gruppe ist täglich in der Kursgruppe, indem die Teilnehmenden einander Resonanz geben.

Struktur und Freiheit

Die Anordnung der gerade aufgezählten Elemente gibt dem Ashramtag Struktur. Nach drei Tagen sind die Gäste frei, mit Struktur und Methoden so umzugehen, dass der Aufenthalt im Ashram Jesu ihnen zum echten Gewinn wird.

Spiritualität

Die Seiten zur „Spiritualität” sollen konkreter mit Fleisch erfüllen, was uns im Ashram beschäftigt. Dies geschieht zum einen in den Auslegungen von vor allem Evangelientexten in den Predigten der sonntäglichen Eucharistiefeiern, in denen die für den Ashram Jesu wichtigen spirituellen Fragen zur Sprache kommen.

Zum anderen geschieht dies in den Schriftbetrachtungen, in denen ein nicht-christlicher Text zusammengesehen wird mit einem Abschnitt der Bibel.

Predigten

Ausgewählte Predigten aus dem Ashram Jesu stellen wir auch online zur Verfügung — in der Regel als Hördatei, manchmal aber auch als Textdatei oder Videodatei.

Spirituelle Impulse

Die Newsletter, die der Ashram Jesu seit 2016 versendet, enthalten oftmals auch

für den Alltag, die wir Ihnen hier zum Nachlesen zur Verfügung stellen.

Schriftbetrachtung

In jedem der folgenden Kapitel finden Sie – neben einer kurzen Information zur Quelle – Textpaare zu unterschiedlichen Themen.

Wenn Sie sich intensiver mit den Texten befassen wollen, hilft Ihnen folgendes

Bhagavadgîtâ

Zum Verständnis ganz kurz: Die Bhagavadgîtâ, entstanden zwischen dem 4. und 2. Jahrundert vor Christus, ist der Gesang (Gita) des als Wagenlenker fungierenden Gottes Krishna, dem Erhabenen (Bhagavad), vor dem Feldherrn Arjuna, der am Vorabend der Schlacht gegen seine treulosen Verwandten, Freunde und Lehrer in einen existentiellen Zweifel verfällt, ob diese in spiritueller Hinsicht angemessen ist.

(Texte aus Klaus Mylius, Bhagavadgîtâ, 1997)

Buddhistische Texte

In besonderer Weise bringen die Lehren Buddhas zur Sprache, dass Gott nicht ist, wie alles andre ist, und dass der Mensch, bei allem Eigensein, letztlich aus dem grundlosen Grund lebt, wenn er wagt, sich in ihn hineinfallen zu lassen.

(Texte aus: Eihei Dōgen: Unterweisungen zum wahren Buddhaweg. Shōbōgenzō Zuimonki, Heidelberg 4. Aufl. 2011)

(Texte aus „Buddhadasa: Anapanasati. Die sanfte Heilung der spirituellen Krankheit” herausgegeben von der Buddhistischen Gesellschaft e.V., Books on demand 2002)

(Texte aus „Die Lehren Buddhas” von Jack Kornfield, 2010)

(Texte aus „A Still Forest Pool” The Insight Meditation of Achaan Chah, Jack Kornfield und Paul Breiter, 2016 — Übersetzungen B. Dickerhof)

Koran

Der Islam ist die Religion der hingabevollen Unterwerfung unter den Willen Gottes, der der Erbarmer und der Barmherzige ist. Die Mitte dieser Religion ist ein Buch, der Koran (arabisch qur’an von qara’a lesen, vorlesen, vortragen), dem Propheten Mohammed durch den Erzengel Gabriel wörtlich übermittelt (Bild). Dieses Buch will die Menschen zum Glauben an den einen Gott führen, und sie als Einzelne und Gemeinschaft rechtleiten.

Trotz vieler Gemeinsamkeiten von Islam und Christentum zeigt sich schon hier ein grundsätzlicher Unterschied: die Mitte des Christentums ist der Mensch Jesus und damit die Beziehung zu ihm und nicht die Unterwerfung unter die Anweisungen eines Buches.

Die Gegenüberstellung von Texten aus dem Koran und aus der Bibel kann inspirierend wirken gerade auf Grund der Nähe und Andersartigkeit der beiden Religionen.

(Die Korantexte werden nach der Übersetzung von Adel Theodor Khoury zitiert.)

Rumi

Dschalal ad-Din Muhammad Rumi, aus dessen zahllosen Auswahlen aus seinen Schriften die folgenden Texte stammen, wurde geboren 1207 in Balch, im mittelalterlichen Chorasan, heute in Afghanistan gelegen; gestorben ist er 1273 in Konya, in der heutigen Türkei.

Rumi war ein persischer Mystiker und einer der bedeutendsten persisch-sprachigen Dichter des Mittelalters. Auf ihn geht die Gründung des Sufiordens der „tanzenden Derwische” zurück. Seine Texte inspirieren eine wachsende Zahl von Menschen, Gläubige und Ungläubige.